Ich schäme mich für dieses System, welches das Land der Dichter und Denker allmählich zerstört.

Ich schäme mich dafür, dass die Maßstäbe in diesem Land nicht mehr stimmen und dadurch Kulturgut zerstört wird.

Ich schäme mich dafür, dass es in diesem Land finanzielle Mitteln für belangloses unteres Mittelmaß im Überfluss bereitgestellt, während für Kultur gestrichen wird und man somit ganze Regionen veröden lässt.


Worum geht es?

Nun, ich versuche es, in kurzen Worten zu fassen: Ich lebe in meiner Wahlheimat Trossingen External link, einer Kleinstadt in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg, seit über dreißig Jahren. Obwohl Trossingen eine Kleinstadt mit ca. 15.000 Einwohnern ist, ist sie auf der ganzen musikalischen Welt bekannt und wird auch mit Recht Musikhauptstadt genannt.

Die Hochschulstadt Trossingen ist Sitz einer staatlichen weltweit bekannten Musikhochschule, der traditionsreichen und auf der ganzen Welt bekannten Musikinstrumentenindustrie Hohner, sowie verschiedener überregionaler musikalischer Einrichtungen und Verbände. Mehr dazu u. a. in Wikipedia External link.

Abgesehen vom hohen kulturellen Niveau ist die Musikhochschule eine der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren der Stadt und der Umgebung. Wir haben ständig Musikstudenten aus der gesamten Welt, die das Bild der Stadt positiv prägen – sie tragen nicht nur den guten Ruf der Stadt und der Region in die ganze Welt hinaus, sondern sie wirken auch als Kultur- und Wirtschaftsmultiplikatoren. Mehr zur Musikhochschule u. a. in Wikipedia External link.

 

Nun platzte kurz vor den Sommerferien eine Nachricht, die den Untergang der gesamten Stadt besiegeln soll. Hier der Nachrichtentext:

»Auch in Trossingen: Landesrechnungshof will bei den Musikhochschulen sparen

Die Musikhochschulen erhalten nach Auffassung des Landesrechnungshofs zu viel Geld. An den fünf Standorten in Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und Trossingen sollten statt jetzt 2500 künftig noch 2000 Studienplätze angeboten werden, heißt es bei den Ausgabenprüfern. Der Staat solle seine Zuschüsse vom Jahr 2015 an auf 40,2 Millionen Euro deckeln, wie die „Stuttgarter Zeitung“ schreibt. Das Land würde so fünf Millionen Euro im Jahr sparen.

Gleichzeitig regen die Prüfer an, mindestens 2000 Euro Studiengebühren pro Semester von nichteuropäischen Studenten zu erheben und deren Zahl zu begrenzen. In einzelnen Studiengängen komme jeder zweite Student aus Fernost, haben die Rechnungsprüfer festgestellt. Für sie „ist kein vernünftiger politischer Grund ersichtlich“, warum das Land Baden-Württemberg in großem Umfang unentgeltlich teure Ausbildungskapazitäten für Studierende aus Südkorea, Japan, China vorhalten sollte und auch noch über den Bedarf des inländischen Arbeitsmarktes ausbilde, heißt es in der Beratenden Äußerung. Wissenschaftsministerium wie Hochschulrektoren kritisieren die Forderung.«

„Jawohl!“, wird der eine oder andere sich sagen und zunächst unüberlegt die Idee begrüßen. „Ausländische Studenten sollen gefälligst zahlen!“ – Aber überlegen wir weiter: Was für Studenten sind das? Musikstudenten, die hier bei uns nicht nur Musik lernen, sondern auch unsere Instrumente kennenlernen und diese in alle Himmelsrichtungen hinaustragen und bekannt machen. Wir profitieren davon, dass diese Musikstudenten bei uns lernen und nicht woanders auf der Welt.

Wenn wir diesen Wirtschaftsmultiplikator nicht mehr haben, verkaufen wir auch keine Instrumente mehr weltweit.

Aber es geht noch ein Stück weiter: Laut Rektorin Elisabeth Gutjahr gebe es im Kultusministerium Pläne, dass Trossingen den Hochschulstatus verlieren und Hochschulakademie als Dependance einer anderen Hochschule werden soll. Mehr dazu in der Schwäbischen Zeitung External link.

Diese Pläne bedeuten schlussendlich das Aus für die Musikhochschule. Die Konsequenzen erklärt nun folgender Bericht der Schwäbischen Zeitung: Aus für die Musikhochschule Trossingen External link

Wir verlieren auf einen Schlag ca. 400 Musikstudenten, was für eine Kleinstadt mit 15.000 Einwohnern sehr viel ist. Alle Menschen,  die an der Musikhochschule arbeiten, verlieren ihre Arbeitsstelle, sowie diejenigen, die Zimmer und Wohnungen an Studenten vermieten, auch ihr Einkommen verlieren. Auch das Studentenwohnheim mit 70 Zimmern stünde ebenfalls frei und würde mit der Zeit verrotten.

Wie sollen nach der Schließung der Musikhochschule die vielen leer stehenden Gebäude, die auf Musikstudenten ausgelegt sind, anders genutzt werden? Wie soll der große Konzertsaal anders genutzt werden? Wie sollen die dann leer stehenden Wohnungen genutzt werden? Wir werden jede Menge Gebäudebrachen mitten in der Stadt haben, für die es keine sinnvolle Verwendung mehr geben wird.

Wie soll die verloren gegangene Kaufkraft – Studenten, Hochschulmitarbeiter, Vermieter usw. – aufgefangen werden? Das wird nicht gehen können, denn Trossingen und Musik bilden eine Einheit und so stirbt Trossingen ohne seine Musik.

Einer gesamten Stadt wird die Luft zum Atmen einfach und sinnlos abgedreht und mit ihr geht eine ganze Region unter.

Aber wie ich bereits eingangs u. a. schrieb:

„Ich schäme mich, dass es in diesem Land finanzielle Mitteln für belangloses unteres Mittelmaß im Überfluss bereitgestellt, während für Kultur gestrichen wird und somit ganze Regionen veröden lässt.“

Jeder, der in Deutschland wohnt, muss den Rundfunkbeitrag zahlen, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen sogenannten „Bildungsauftrag“ erfüllen kann. Insgesamt stehen ihm durch den Rundfunkbeitrag ca. 8 Milliarden EUR (wahrscheinlich sogar wesentlich mehr) im Jahr zur Verfügung. „Bildungsauftrag“ – während hier einer weltbekannten Musikhochschule und mit ihr einer ganzen Stadt und ihrer Umgebung den Todesstoß versetzt wird.

Deswegen schäme ich mich. Für etwas, was erwiesenermaßen niemand mehr braucht und mit echter Bildung nichts zu tun hat, werden Unsummen bereitgestellt, während echte Bildung gegen die Wand gefahren wird.

Es ist wirklich an der Zeit, sich zu erheben und die Zügel selbst an die Hand zu nehmen. Die Politik versagt tagtäglich und zerstört Werte, auf die wir stolz sind. Wir verlieren unsere Identität und werden zum untersten Mittelmaß. Wie lange wollen wir tatenlos zusehen?

Ich schäme mich dafür und hoffe, viele zu erreichen, die mir und meiner Stadt exemplarisch helfen, diesen Wahnsinn zu stoppen. Wir müssen lernen, der Politikerkaste »stopp« zu sagen und ihr die Grenzen aufzuzeigen. Und wir sollten uns wieder an den berühmten Satz erinnern: »Wir sind das Volk!«

Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie dem Kultusministerium des Landes Baden-Württemberg Ihre Meinung mitteilen könnten Die Adresse lautet:

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport

Postfach 10 34 42

70029 Stuttgart

Telefon 0711 279-0

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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

René Ketterer Kleinsteuber

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