BVerwG

Wer vor 32 Jahren einen Fernseher oder ein Radio sein Eigen nannte, wollte gewiss die dazumal einzig verfügbaren öffentlich-rechtlichen Hörfunk- und/ oder Fernseh-Programme nutzen. Zwischen Gerät, Nutzung und der (noch dazu nach Hörfunk und Fernsehfunk differenzierten) Rundfunk-Abgabe bestand ein direkter und sachgerechter Zusammenhang.

Mit dem heutigen Überangebot an Informations- und Unterhaltungsmöglichkeiten des nunmehr 21. Jahrhunderts ist jedoch keinerlei direkter und sachgerechter Zusammenhang mehr zwischen Fernseher, Radio oder gar Multifunktions- bzw. Multimediageräten und der Nutzung einer bestimmten Medienoption gegeben.

Multimediageräte bieten uns neben dem Anschluss an Player, Recorder, Konsolen, Fotokameras und anderes den Zugriff auf ein weltweites Kommunikationsnetz – das Internet – mit hunderttausenden Radiostationen, YouTube, Filmdiensten, Online-Zeitungen usw. Sie bieten uns sogar die Möglichkeit, selbst publikativ tätig zu sein!

Viele von uns bevorzugen die tiefergehenden Informationen in Zeitungen, Zeitschriften, Büchern oder auch die Live-Unterhaltung. Jeder von uns informiert und unterhält sich nach seinem Willen – aus selbst gewählten Quellen. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten erfüllen heute keine „besonderen“ oder gar „herausragenden“ Aufgaben mehr, die nicht auch die Gesamtheit aller anderen verfügbaren Medien bereits erfüllt. Durch den Einfluss der Politik in den Rundfunkgremien und über die durch die MinisterpräsidentInnen ernannten Mitglieder der KEF („Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“) fehlt zudem die viel beschworene Staatsunabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und deren Finanzierung.

Horst Röper vom Forschungsinstitut Formatt, Prof. Dr. Bernd Holznagel und Dr. Thorsten Ricke von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster bestätigten während der 13. Sitzung des Haupt- und Medienausschusses am NRW Landtag vom 7. April 2011 den deutlichen Akzeptanzverlust des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems.

Die Wohnung dient unserem Schutz und unserer freien Entfaltung. Die Nutzung oder Nichtnutzung einer bestimmten Medienoption hängt, wie die Wahl der Kaffee- oder Tee-Sorte, mit dem individuellen Willen zusammen. Die Bezugnahme des sog. „Rundfunkbeitrags“ auf das Grundbedürfnis „Wohnen“ ist sachfremd – ein daraus abgeleiteter Zusammenhang mit der Nutzung einer einzelnen Medienoption unter tausenden anderen Möglichkeiten bleibt rein fiktiv. Der Gesetzgeber darf jedoch keine Fiktion anwenden (BVerfGE 31, 314), um – entgegen der Wirklichkeit – die Nutzung einer vorgesetzten öffentlich-rechtlichen Medienoption jedem Bürger unwiderleglich zu unterstellen.

Unsachgemäße Typisierung (Nutzer/Nichtnutzer), Auflösung des Sondervorteils

Eine sachgerechte Differenzierung nach Nutzern und Nichtnutzern der öffentlich-rechtlichen Medienoption unter Maßgabe eines „besonderen Vorteils“ findet gar nicht statt. Zur Gruppe der Nichtnutzer zählen auch Millionen Bürger, die aus schlichter Sorge vor Repressalien trotz Nichtnutzung weiterzahlen.

Wenn das Typisierungsraster nicht einmal in der Lage ist, zwei Hauptgruppen – Nutzer und Nichtnutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – voneinander zu trennen, dann handelt es sich bei der Typisierung um eine unrechtmäßige Mogelpackung.

Die Millionen Nichtnutzer der öffentlich-rechtlichen Programme werden willkürlich übergangen. Es wird sachfremd an das mit Rundfunkempfang in keinerlei direktem oder indirektem Zusammenhang stehende Innehaben einer Wohnung angeknüpft – die Nichtnutzer der öffentlich-rechtlichen Medienoption werden belästigt, diskriminiert und genötigt.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof äußert sich zwar in seinem Urteil vom 15. Mai 2014 (Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12) zum Rundfunkkonsum, dessen Umfang und Intensität sowie zur Staffelung der Beitragssätze, welche dem Verhältnismäßigkeitsgebot in genügender Weise Rechnung trage. Er vergisst jedoch, sachgerecht nach Nutzern und Nichtnutzern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu differenzieren.

Der besondere Vorteil hat sich beim sog. „Rundfunkbeitrag“ in Luft aufgelöst, weil die Allgemeinheit belastet wird. Sofern auch die Allgemeinheit einen Vorteil hätte, gäbe es dann jedoch keinen individuell zurechenbaren Vorteil gegenüber der Allgemeinheit. Die komplette Auflösung des für einen „Beitrag“ charakteristischen „besonderen Vorteils“ einer zahlenden Gruppe gegenüber der nicht beitragspflichtigen Allgemeinheit, bedeutet für den sog. „Rundfunkbeitrag“ einen Verstoß gegen die Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz). Ohne einen „besonderen Vorteil“ darf ein Beitrag nicht erhoben werden.

Die ungehinderte Unterrichtung nach Art. 5 Grundgesetz, Teilhinderung

Soll der Art. 5 Grundgesetz nicht zu einem reinen Alibi verkommen, muss jeder Bürger selbst über die Verwendung seiner ihm verfügbaren finanziellen Mittel für die ungehinderte Unterrichtung aus der Überfülle allgemein zugänglicher Medienoptionen entscheiden dürfen. Die ungehinderte Information und Unterhaltung muss frei von einer Lenkung durch einen unausweichlichen Zahlungszwang für eine bestimmte Medienoption sein. Das ist die Intention des Art. 5 Grundgesetz. Das Völkerrecht, der internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte aus Artikel 19 (2), spricht von der „freien Wahl“.

210 € durch Zahlungszwang eingetriebene “Beiträge“ pro Jahr für die finanziell aufgedrängte öffentlich-rechtliche Medienoption sind neben den finanziellen Ausgaben für die notwendigen Gerätschaften, laufenden Kosten sowie sonstigen Bezahldienste1) allein schon wegen ihrer Höhe ein objektives Hindernis, diese Möglichkeiten in freier Willensentscheidung und in selbstbestimmtem Umfang zu nutzen – Art. 5 Grundgesetz spricht von einer ungehinderten Unterrichtung, so dass jegliche auferlegte Kosten, gleichgültig in welcher Höhe, im Sinne des Art. 5 GG eine Hinderung darstellen.

Millionen Menschen werden gezwungen, ihre freie Wahl der Quelle merklich einzuschränken. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verschlingt insgesamt mehr als 21 Mio. € täglich und wird damit ohne besondere Rechtfertigung privilegiert subventioniert!

Die ungehinderte Unterrichtung schließt auch eine finanzielle Teilhinderung aus. Bereits bei einer Zwangsabgabe von nur einem Prozent des Medienbudgets entsteht eine Beeinträchtigung, Lenkung und Hinderung der selbstgewählten Unterrichtung.

Die Zwangsabgabe für eine finanziell vorgesetzte öffentlich-rechtliche Medienoption in ihrer regulären Höhe von 210 € (oder auch mehr) pro Jahr schmälert das Medienbudget der Betroffenen – sie schränkt, lenkt und hindert die eigene freie Wahl der Informationsquellen. Es sind finanzielle und somit inhaltliche Einschränkungen der Nichtnutzer nötig, um die aufgezwungene Abgabenlast für die unerwünschte öffentlich-rechtliche Medienoption begleichen zu können. Die Informations- und Medienbeschaffung aller Wohnungsinhaber wird mit dem sog. „Rundfunkbeitrag“ finanziell gelenkt und führt zum aufgezwungenen Verzicht der gewünschten, allgemein zugänglichen Informationsquellen. Eine finanzielle Teilhinderung durch Minderung des individuellen Medienbudgets ist mit dem Art. 5 Grundgesetz unvereinbar. Damit ist die Abgabe in ihrer jetzigen unausweichlichen Form verfassungswidrig.

Bundesverwaltungsgericht verweigert die Rechtsprechung nach geltendem Recht

In der Pressemitteilung External link zu den Revisionsverfahren vom 16. und 17. März 2016 behauptet das Bundesverwaltungsgericht ganz nüchtern:

»Der Rundfunkbeitrag wird nicht wie eine Steuer voraussetzungslos, sondern als Gegenleistung für die Möglichkeit erhoben, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme empfangen zu können.«


Damit verkennt es jedoch die Urteile der Kollegen External link anderer Gerichte, die Hinweise der Anwälte in der Verhandlung sowie auch die eigene Rechtsprechung – Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 09.12.1998, Az. 6 C 13/97:

»Die an das Bereithalten von Empfangsgeräten anknüpfende Rundfunkgebühr ist nach § 11 Abs. 1, Halbs. 2 RStV 1991 die vorrangige Finanzierungsquelle für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ob es sich bei der Rundfunkgebühr um eine "Gebühr" im klassischen Sinne, um eine "Gebühr mit Beitragscharakter" oder aber schlicht um einen "Beitrag" im eigentlichen Sinne handelt, ist umstritten und bedarf auch hier keiner Klärung. Die Einordnung ist eine Frage des Landesrechts. Denn die Gesetzgebungskompetenz für den Rundfunk einschließlich der Rundfunkfinanzierung liegt gemäß Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern. Für die Überprüfung der Abgabe auf ihre Vereinbarkeit mit Bundesverfassungsrecht ist ihre Einordnung unerheblich. Aus der Sicht des Bundesrechts ist allein entscheidend, daß die Art der Finanzierung einerseits (rundfunkrechtlich; vgl. BVerfGE 90, 60, 87 ff.) den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 GG an eine funktionsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und andererseits (abgabenrechtlich) rechtsstaatlichen Anforderungen einschließlich des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gebots der Gleichheit aller Bürger vor den öffentlichen Lasten genügt (vgl. BVerfGE 90, 60, 105 f.). Beides ist der Fall (nachstehend bb)).«


Wenn die Abgabe eine "Finanzierungsfunktion" hat, kann sie nicht "Entgelt für eine Gegenleistung" sein!

Dass die Abgabe kein "Entgelt für eine Gegenleistung" ist, besagt auch das höchstrichterlich gesprochene zweite Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG 2. Rundfunkentscheidung: External link


»Wie sehr der Rundfunk als eine Gesamtveranstaltung behandelt wird, ergibt sich insbesondere daraus, dass die Länder in verschiedenen Staatsverträgen die Zusammenarbeit der Anstalten, den Finanzausgleich und die gemeinsame Finanzierung eines Zweiten Deutschen Fernsehens vorgesehen haben. Der Teilnehmer seinerseits ist nicht auf die Anstalt seines Landes beschränkt, im Fernsehen schon wegen der Zusammenarbeit der Anstalten und im Rundfunk infolge der Reichweite des Empfangs. Die für das Bereithalten des Empfangsgeräts zu zahlende "Gebühr", die der Anstalt des betreffenden Landes zufließt, ist unter diesen Umständen NICHT Gegenleistung für eine Leistung, sondern das von den Ländern eingeführte Mittel zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung.(…)

Dies hat zur Folge, dass die Rundfunkanstalten als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts "gelten", obwohl sie in Wirklichkeit nicht Betriebe gewerblicher Art sind, und dass die Gebühren, obwohl sie NICHT als Entgelt für die durch den Rundfunk gebotenen Leistungen im Sinne eines Leistungsaustausches betrachtet werden können, der Umsatzsteuer unterworfen werden.«


Das Bundesverwaltungsgericht hält sich weder an die eigene noch an die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Es ist aufgrund der Klageabweisung vom 18.03.2016 zu erwarten, dass auch im noch ausstehenden schriftlichen Urteil

  • die fehlende sachgemäße Differenzierung nach Nutzern und Nichtnutzern der öffentlich-rechtlichen Medienoption
  • das vollkommen ungeeignete Typisierungsraster, welches nicht einmal in der Lage ist, zwei Hauptgruppen – Nutzer und Nichtnutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – voneinander zu trennen
  • die rechtlich unzulässige Anknüpfung einer unsozialen und unausweichlichen Pauschalabgabe an das existenzielle Gut „Wohnen“
  • die unzulässig grobe Ungleichbehandlung von Alleinwohnenden gegenüber Mehrpersonenhaushalten
  • die rechtlich unzulässige Anwendung einer – entgegen der Wirklichkeit – lediglich unterstellten und unwiderlegbaren Fiktion (Vermutung) der Nutzung einer vorgesetzten öffentlich-rechtlichen Medienoption
  • die komplette Auflösung des „besonderen Vorteils“ einer zahlenden Gruppe gegenüber einer nicht beitragspflichtigen Allgemeinheit und
  • die Verletzung des Grundrechts der ungehinderten Unterrichtung nach Art. 5 Grundgesetz durch eine finanzielle Teilhinderung

vom Gericht nicht erkannt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht verweigert somit die Rechtsprechung nach geltendem Recht.

1) Gerätschaften, laufende Kosten sowie sonstige Bezahldienste bezeichnen u. a.  Multifunktionsbildschirme, DVD- bzw. Blu-ray-Player, PCs, Notebooks, Tablets, Smartphones, SAT-Receiver, Konsolen sowie auch die laufenden Kosten für Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Internetzugang, Kabel, Sky, Netflix, Musik- und sonstige Bezahldienste, DVD-/Blu-ray-Filme, Filmverleih, Spiele, Kino, Theater, Varieté usw. (zurück)

 

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